Begleitende Psychotherapie bei Depressionen

Wo es immer noch weniger beschwerlich zu sein scheint darüber zu sprechen, ob sich einer seine Lunge durch exzessives Rauchen zerstört oder seine Leber durch zu hohen Alkoholkonsum kaputt gesoffen hat als seine Depressionen offen darzulegen, ist ein Umdenken dringend nötig. Wer unter Depressionen leidet, leidet wirklich - tief aber still. Und er gehört in die Hände eines Arztes und zwar eines Facharztes für Psychiatrie. Und doch ist es sehr vielen Menschen nicht gegeben, darüber zu sprechen, dass sie zum Psychiater gehen, wenn sie es denn überhaupt tun.

 

 

"Ich bin doch nicht bekloppt!" "Ich hab' doch keinen Dachschaden!", sind vielfach die wehrhaften Sprüche vieler, deren Seele krank geworden ist. Es geht auch nicht um "bekloppt" oder "bescheuert", sondern darum, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten, in des Wortes wahrstem Sinne "ver-rückt" ist. Das kann die Folge mehrerer aneinandergereihter unglücklicher Umstände sein, ein einzelnes einschneidendes Ereignis und dergleichen mehr. Die Lebensumstände spielen hierbei ebenso eine Rolle wie beispielsweise die genetische Disposition. Wie ein Mensch, der unter Depressionen leidet, fühlt, habe ich versucht, einmal darzustellen:

 

So geriet sie in einem immer stärker werdenden Sog, der sie in einen Abgrund riss, auf dessen felsigem Grund sie gewiss zerschmettert würde. Es gab kein Netz, keinen doppelten Boden, der Sturz war unaufhaltsam, und sie ließ es einfach geschehen. Eine Art Gleichgültigkeit, erst sich selbst, dann ihrer Umwelt gegenüber griff von ihr Besitz, was machte es schon noch, ob sie sich versorgte oder nicht. Appetit hatte sie eh keinen mehr, gut die Hälfte jeder Tiefkühlpizza, die sie sich mit Mühe besorgte und in den Backofen schob, wanderte in den Hausmüll.

 

Nachts fand sie kaum noch Schlaf, und wenn er sie dann doch noch gnadenhalber übermannte, war er nur von kurzer Dauer. Meist erwachte sie sie gegen Fünf Uhr in der Frühe, wo sie doch hätte bis Sieben schlafen können. Und mit dem Erwachen kamen die trüben Gedanken, die sich nicht zurück drängen ließen und die ihre Zweifel am Sinn ihrer Existenz nährten. Sie schaffte es zunächst ja noch das Bett zu verlassen um pünktlich um Neun im Friseursalon anzutreten, aber es wurde zusehends mühevoller. War Friseurin nicht einmal ihr Traumberuf gewesen?

 

War sie nicht beliebt bei den Kunden, Kolleginnen, bei der Chefin? Hatte sie nicht so manchen Pokal bei Wettbewerben gewonnen, die alle hübsch blank geputzt und nebeneinander aufgestellt, eindrucksvoll Kunde taten von ihrer außergewöhnlichen Kreativität? Es fiel ihr immer schwerer, sich selbst mit ihrer eigenen Vergangenheit zu identifizieren. Es wurde zur unerhörten Anstrengung, selbst einfachere Aufgaben zu bewältigen. Hatte sie nicht schon wieder irgend etwas vergessen? Ach ja, da war doch – was fehlte denn jetzt noch gleich wieder? Ihre Bewegungen wurden schwerfällig und langsam, als hätte sie Blei in den Knochen, und als ihr eigenes Gewicht sie drei Wochen, nachdem dieses „NEIN“ aus ihr heraus gebrochen war eines Morgens zu sehr nieder drückte, beschloss sie, gar nicht erst aufzustehen.

 

 

Ein Facharzt für Psychiatrie verschreibt wenn es notwendig ist Antidepressiva. Manchmal ist es deshalb schon notwendig, um den Patienten überhaupt therapiefähig zu machen. Wenn seitens des Arztes eine Psychotherapie empfohlen wird, kann ich hier begleitend zur sogenannten Pharmakotherapie hinzugezogen werden. Dabei obliegt mir eine besondere Sorgfaltspflicht, denn der Suizid ist und bleibt die größte und schlimmste Komplikation bei immerhin 15-20% aller Patienten mit Depressionen, selbst dann, wenn laut internationaler Klassifikation noch nicht einmal die schwerste Form diagnostiziert worden ist. Ich versuche, mit Löungs- und Ressourcenorientierten Verfahren sowie Kognitiver Verhaltenstherapie hilfreich einzugreifen. Aber manchmal ist eben nur noch ein Klinikaufenthalt das Gebot der Stunde. Und ich persönlich halte einen mehrwöchigen Aufenthalt in der "Klapse" allemal für besser als einen Dauerwohnsitz auf dem Friedhof!

 

Nicht die Dinge an sich sind es

die uns beunruhigen,

sondern unsere Vorstellungen von den Dingen

 

(Epiktet 50 - ca. 130 n. Chr.)